09.09.2022 - Kategorie "Recht und Gesetz"

Debatte zur Insolvenzantragspflicht

Insolvenzantragspflicht: Wird Überschuldung neu definiert?

ARGE Insolvenzrecht & Sanierung fordert: Aktiv sanieren statt Probleme konservieren


In der Diskussion über die Vorschläge zum dritten Entlastungspaket der Koalitionsregierung und die angekündigten insolvenzrechtlichen Maßnahmen wird nun immer deutlicher, wie das Bundesministerium der Justiz einer möglicherweise bevorstehenden Insolvenzwelle begegnen möchte. Die ARGE Insolvenzrecht & Sanierung hält die Pläne für zu kurz gedacht.


„Wie aktuelle Medienberichte zeigen, beabsichtigt die Bundesregierung, die Insolvenzantragspflicht bei Überschuldung abzumildern. Dabei soll sich der Zeitraum, in dem ein Unternehmen durchfinanziert sein muss, von zwölf auf vier Monate verkürzen. Grund soll sein, dass die Finanzplanung während eines kurzen Zeitraums für Unternehmen besser vorhersehbar ist und damit u.a. auch das Risiko überschaubarer wird, angesichts der unsicheren Energie- und Lieferkosten ggf. strafrechtlich Implikationen mit sich zu ziehen“, erklärt Dr. Rainer Eckert, Co-Vorsitzender der ARGE Insolvenzrecht & Sanierung.


Dr. Anne Deike Riewe, Co-Vorsitzende der ARGE Insolvenzrecht & Sanierung betont: „Wir teilen die Einschätzung der Bundesregierung, dass die unmittelbaren und mittelbaren Wirkungen der steigenden Energiepreise schon jetzt und sicherlich noch für einige Zeit die Unternehmen vor große Herausforderungen stellen. Lediglich Definitionen im Insolvenzrecht zu ändern, beseitigt aber keines der tatsächlichen Probleme. Im Mittelpunkt sollte daher die Frage stehen, wie den im Maßnahmepaket angesprochenen, im Kern gesunden und auch langfristig überlebensfähigen Unternehmen tatsächlich geholfen werden kann. Soweit eine Stabilisierung des Unternehmens etwa bereits durch die im Maßnahmepaket vorgesehenen Unternehmenshilfen wie das KfW Sonderprogramm möglich ist, braucht es kein Insolvenzverfahren. Aber es wird auch viele Fälle geben, in denen sich ein Unternehmen noch grundlegender neu aufstellen muss, um wirklich zukunftsfähig zu sein. Dafür bietet das deutsche Sanierungsrecht mit seinen Fortentwicklungen der letzten Jahre einen geordneten Rahmen – der auch alle gleich behandelt und keine Vorteile nach politischer Aufmerksamkeit verteilt. Hier sollte jetzt nicht die vor dem Hintergrund der Klimakrise und des technologischen Wandels erforderliche Transformation der deutschen Wirtschaft verschlafen werden, indem allein auf die Bewahrung des Status quo gesetzt wird.“


Dr. Rainer Eckert ergänzt: „Werden sowieso schon geschwächte Unternehmen jetzt ohne Sanierung mit ihrer schwachen Liquidität quasi sich selbst überlassen, entstehen weitere „Zombie“-Unternehmen. Daher: Statt einer Verkürzung des Planungszeitraums ist es deutlich sinnvoller, nun direkt Sanierungen vorzunehmen. Aus Praktikersicht sollte daher nunmehr der Zugang zum Eigenverwaltungs- und Schutzschirmverfahren erleichtert werden, wie es bereits in § 6 COVInsAG umgesetzt wurde. Angesichts der aktuellen Prognoseunsicherheiten kann man dem aktiv die Sanierung betreibenden Geschäftsführer keine weiter in die Zukunft gerichtete Planung abverlangen als demjenigen, der ein solches geordnetes Verfahren vermeiden will.“

 


Über die Arbeitsgemeinschaft:

Die Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht & Sanierung im Deutschen Anwaltverein (DAV) ist ein Zusammenschluss von über 1.400 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten, deren berufliches Interesse sich besonders auf das Insolvenzrecht und die Sanierung von Unternehmen richtet. Die Arbeitsgemeinschaft ist seit November 1999 als Arbeitsgemeinschaft im DAV organisiert. Sie ist bundesweit die größte deutsche Vereinigung von Insolvenzrechts- und Sanierungsexperten. Der Deutsche Insolvenzrechtstag, den die Arbeitsgemeinschaft 2004 ins Leben gerufen hat, ist die größte insolvenzrechtliche Veranstaltung in Europa. Darüber hinaus veranstaltet die Arbeitsgemeinschaft seit 2012 einmal jährlich den Europäischen Insolvenzrechtstag / European Insolvency & Restructuring Congress (EIRC) in Brüssel.


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