12.08.2022 - Kategorie "Insolvenzverfahren"

Dr. Mathias Gellert zum vorläufigen Insolvenzverwalter der Advocado GmbH bestellt

Legal-tech: advocado meldet Insolvenz an - erster Interessent

GÖRG Rechtsanwalt Dr. Mathias Gellert zum vorläufigen Insolvenzverwalter der Advocado GmbH bestellt


Ein Vorzeige-Start-up in MV ist in finanziell schweres Fahrwasser geraten. Die Firma Advocado mit Sitz in Greifswald, Betreiber einer juristischen Online-Plattform, hat einen Insolvenzantrag gestellt. „Wir prüfen derzeit die Möglichkeiten einer Sanierung“, sagte der vorläufige Insolvenzverwalter Mathias Gellert. Der Geschäftsbetrieb werde ohne Einschränkungen fortgesetzt.

 

Advocado mit seinen 35 Mitarbeitern bringt seit 2014 über seine Plattform Mandanten und Anwälte zusammen. Ob Nachbarschaftsstreit, Erbangelegenheiten oder Auseinandersetzungen nach Autounfällen – etwa 265 000 Kunden sind bislang über die Plattform mit einem der 550 Partner-Anwälte zusammengekommen, haben sich in Rechtsangelegenheiten beraten lassen. Die Firma heimste Preise ein, gewann unter anderem 2019 den vom damaligen Wirtschaftsminister Harry Glawe (CDU) ausgelobten Sonderpreis als „Unternehmen des Jahres in MV“. Auch bundesweit sorgte das junge Greifswalder Unternehmen für Furore, gehörte bereits drei Jahre nach Gründung wegen seiner digitalen Erfolgsgeschichte zu den Siegern des bundesweiten Wettbewerbs „We do digital“ der Industrie- und Handwerkskammer mit mehr als 270 teilnehmenden Unternehmen. Dazu kamen Onlinepreise der Fachmedien.

 

Gegründet wurde das Unternehmen von zwei Absolventen der Uni Greifswald. Maximilian Block und Jacob Saß hatten das Zwei-Mann-Unternehmen nach ihrem Jura- und Wirtschaftsstudium in der Hansestadt ins Leben gerufen und es innerhalb von fünf Jahren zu einer Firma mit 40 Mitarbeitern ausgebaut. Ihr Motto: „Wir kämpfen für eine Welt, in der jeder Mensch zu seinem Recht kommt.“ Gründer Maximilian Block schied Ende 2020 als Geschäftsführer aus dem Unternehmen aus. Schon damals war das Unternehmen in Schieflage geraten.

 

Die Bilanz der Gesellschaft wies laut Bundesanzeiger für den Jahresabschluss 2020 einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag in Höhe von 4,6 Millionen Euro aus. Dennoch wurde damals von einer Fortführung der Unternehmenstätigkeit (Going-Concern-Prämisse) und einer Bedienung zunächst aller Zahlungsverpflichtungen der Gesellschaft bis mindestens Februar 2022 ausgegangen. Seinen Firmensitz in einer repräsentativen Gründerzeitvilla hat Advocado mit dem Insolvenzantrag aufgegeben, ist als „Zwischenlösung“ in provisorische Geschäftsräume in einem Funktionsbau nahe des Greifswalder Bahnhofs umgezogen.

 

In einem Schreiben an Geschäftspartner unmittelbar nach dem Insolvenzantrag verwies das Unternehmen auf „kurzfristig eingetretene Ereignisse“ und eine daraus resultierende gesetzliche Verpflichtung zur Stellung eines Insolvenzantrages, was dann am 28. Juni am Amtsgericht Stralsund erfolgte. Zu den Insolvenzgründen hält sich Gellert zurück. „Hierzu lassen sich zu diesem frühen Zeitpunkt noch keine Angaben machen.“ Nur soviel: „Start-up-Unternehmen sind erheblich auf Finanzierungen von Außen angewiesen.“ Diese Finanzierung sei weggebrochen. Zur Größe der Finanzlücke machte Gellert keine Angaben. 

 

Die Chancen für eine Weiterführung des Online-Portals stehen nach Einschätzung des Insolvenzverwalters gut, da es sich bei der digitalen Rechtsberatung um ein zukunftsfähiges Geschäftsfeld handele. „Ein unmittelbar nach dem Antrag aufgesetzter Investorenprozess hat in einschlägigen Kreisen zu regem Interesse geführt“, so Gellert. Über 60 Interessenten hätten sich gemeldet. Ein Teil von ihnen habe bereits unverbindliche Angebote für eine Übernahme des Geschäftsbetriebes abgegeben. Die Interessenten kommen laut Gellert aus dem Bereich der Anwaltskanzleien, Rechtsschutzversicherungen, Mitbewerber und strategischen Finanzanleger.

 

Einer der Gesellschafter war auch die Mittelständische Beteiligungsgesellschaft des Landes. Die Insolvenz von Advocado dürfe nicht dazu führen, dass das Land sein Engagement bei Gründungen künftig zurückfährt, warnte der FDP-Landtagsabgeordnete David Wulff. Es sei normal, dass Start-ups auch scheitern können. „Unternehmen, die wie Advocado schnell auf Wachstum gehen, fahren in den ersten Jahren keine Gewinne ein. Da braucht es einen langen Atem bei Finanzierern und Gesellschaftern.“

 

Ähnliche Töne auch aus der Gründerszene „Start-ups haben gerade in der Anfangsphase einen hohen Investitionsbedarf“, sagt Ralph Schipke, Projektverantwortlicher des vom Land geförderten Gründer-Portals „Gruender-mv.de“. Im Nordosten seien die Angebote an Venture Capital leider immer noch überschaubar. „Geldgeber sitzen in den Ballungsgebieten, richten ihren Fokus auf die Start-up-Szene in den Metropolen“, so Schipke. Da seien noch dicke Bretter zu bohren, um Investoren und Unterstützer für Startups außerhalb von Berlin und Hamburg aufzuschließen.

 

Insolvenzverwalter Mathias Gellert ist zuversichtlich, dass mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 1. September bereits eine Lösung gefunden sein könnte. „Ziel ist eine komplette Übernahme und der Erhalt aller Arbeitsplätze.“ Angestrebt ist eine sogenannte übertragende Sanierung. Dabei kauft der Erwerber die Vermögenswerte, also das Geschäftsfeld. Die GmbH – quasi die leere Hülle – wird abgewickelt und deren Schulden aus dem Verkauf der Vermögenswerte beglichen. Die Alternative, ein Insolvenzplanverfahren, werde ebenfalls geprüft, scheint aber nicht wahrscheinlich.

 

Bleibt Advocado künftig in Greifswald? Theoretisch kann der Erwerber das Geschäftsfeld an einem anderen Ort weiterführen. Dennoch hält Gellert einen Umzug für nicht wahrscheinlich: „Die Mitarbeiter sind hochspezialisiert, die kann man nicht einfach umsiedeln.“

 

 

Insolvenzverwaltung Advocado GmbH 

GÖRG Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB

Dr. Mathias Gellert (Associate, vorläufiger Insolvenzverwalter, Insolvenzrecht, Hamburg)

 

 


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